Ein Star auf Talfahrt
In der Weimarer Republik erlebt das deutsche Kino eine künstlerische Blütezeit. Das ändert sich, als 1933 Adolf Hitler und die NSDAP an die Macht kommen.
Völkische Konturen
Propagandaminister Joseph Goebbels will den „deutschen Film von der Wurzel aus“ reformieren und ihm „völkische Konturen“ geben.
Viele Filme dürfen nicht mehr gezeigt werden. „Nicht-arische“ Künstler:innen erhalten Arbeitsverbot. Mehr als 1.500 Filmschaffende gehen zwischen 1933 und 1941 aus Deutschland ins Exil. Andere, die bereits im Ausland sind, kehren nicht mehr zurück.
Harry Piel bleibt. Im März 1933 tritt er in die NSDAP ein. Im Mai wird er förderndes Mitglied der SS.
Piels Film Der Geheimagent von 1932, der vor einem Giftgaskrieg warnt, wird im NS-Staat zwar verboten, doch für ihn geht es weiter. 1935 dreht er mit seinem Zirkusdrama Artisten seinen 100. Film.
Für Der Dschungel ruft baut er im selben Jahr einen Urwald auf Rügen nach, im Krimi Sein bester Freund (D 1937) spielt – wie schon zuvor in anderen Filmen – ein Schäferhund eine tragende Rolle. Leichte Unterhaltung in der Diktatur.
Im September 1939 beginnt mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Piels Darstellungen eines Luftangriffs für seinen Film Panik, an dem er von 1940 bis 1943 arbeitet, sind den NS-Machthabenden zu nah an der Wirklichkeit. Die Kosten explodieren, Harry Piel verschuldet sich, der Film wird verboten.
Trotz des Misserfolgs mit Panik wird Harry Piel auf die Liste der „Gottbegnadeten“ gesetzt und ist so vom Kriegs- und Arbeitsdienst befreit. Im November 1944 tritt Piel aus der NSDAP aus.
For what?
Während der NS-Zeit hat Harry Piel insgesamt zwölf Abenteuer-, Krimi-, Liebes- und Zirkusfilme gedreht und damit zur geforderten „staatspolitisch wichtigen“ leichten Unterhaltung beigetragen.
Piel hat sich aktiv, gleichwohl nicht immer erfolgreich, bei einem Regime angedient, das Europa mit Krieg überzogen und Millionen Menschen verfolgt, entrechtet und ermordet hat. Warum hat er so gehandelt? Hätte gerade ihm, der bereits international gearbeitet hatte, nicht die Welt offen gestanden?
Man möge sich darauf verlassen, dass ich wie jeder anständige Deutsche lieber bei meinem Führer die bescheidenste Rolle spiele als die selbst eines Generals in der französischen Armee.
Harry Piel, 1940, als Reaktion auf ein Gerücht, er sei als Offizier in den französischen Generalstab eingetreten.
Entnazifizierung
Bei der Entnazifizierung nach Kriegsende verschweigt Piel seine Fördermitgliedschaft in der SS. Die Lüge fliegt auf. Er wird zu einer Gefängnisstrafe verurteilt und darf bis Ende 1948 nicht als Regisseur und Produzent arbeiten. Piels Versuche, später wieder beim Film Fuß zu fassen, scheitern. Er hat kaum noch Geld und ist auf die Unterstützung von Freund:innen, Familie und Fans angewiesen.
Harry Piel stirbt am 27. März 1963 in München und wird dort neben seiner zweiten Ehefrau Dary Holm beerdigt. Sein Name, seine Pionierleistungen als Filmemacher und seine „Sensationsfilme“, die fast alle im Krieg zerstört wurden, geraten in Vergessenheit.