Eine Frau von Welt
In den 1920er-Jahren befreien sich die deutschen Frauen von alten Rollenmustern, so auch in der Arbeitswelt. Ihren Platz hinter der Kamera müssen sie sich erst erstreiten.
Das Kino der Weimarer Republik ist eine Männerdomäne – und der Expeditionsfilm mit seinen Erzählungen von unerschrockenen Entdeckern und Weltenbummlern erst recht.
1925 bricht Lola Kreutzberg zu den indonesischen Inseln auf, ganz allein. Zuvor hat sich die Zoologin auf eigene Faust das Bedienen der Kamera beigebracht und zahlreiche Tierfilme unter dem Label Lo-Zoo-Filme produziert.
Ihre Expedition ist ein Ein-Frau-Unternehmen. Chauffeurin, Regisseurin, Kamerafrau, Zoologin – Kreutzberg übernimmt alle wichtigen Funktionen selbst.
Nur so kann sie ihre erste Reise realisieren. Denn während viele männliche Kollegen in aufwändig ausgerüsteten Teams unterwegs sind, ist es für Frauen fast unmöglich, überhaupt finanzielle Unterstützung für ihre Projekte zu erhalten.
Auf Bali gewinnt die „arbeitende weiße Frau“, wie Kreutzberg selbst schreibt, das Vertrauen des einheimischen Fürsten. Mit seiner Unterstützung filmt sie für Wunderland Bali (auch: Bali, das Wunderland, D 1927) rituelle Tempel- und Trancetänze, die europäischen Augen normalerweise vorenthalten bleiben.
Kreutzberg möchte mit der Kamera kulturelle Traditionen festhalten, die durch die europäische Kolonialisierung zu verschwinden drohen.
Ein ehrenwertes Vorhaben – doch wie in der Zeit üblich, herrscht in ihren Filmen die Faszination für das „exotische Andere“ vor. Kritische Perspektiven, die etwa die Unterdrückung der Menschen auf Bali durch die niederländischen Kolonisatoren zeigen, sucht man auch hier vergeblich.
Die Presse feiert „die erste deutsche Frau, die eine Expedition allein und ohne fremde Hilfe durchgeführt hat“. Als reisende Abenteurerin ist sie ein willkommenes Aushängeschild für die weibliche Emanzipation.
Lola Kreutzbergs Porträts zieren die Illustrierten. Sie entspricht ganz dem zeitgenössischen Ideal der neuen Frau: selbstbewusst, elegant, weltbürgerlich.
Vor allem diese Bilder zeugen heute von Kreutzbergs Ruhm. Denn obwohl sie etwa 150 Filme gedreht hat, davon vermutlich rund 60 über Tiere, sind nur wenige erhalten. Wie schätzungsweise 90 Prozent des deutschen Stummfilmerbes gilt der Rest als verschollen.