Drei Kerzen zur Erleuchtung
Erste Beschreibungen des Camera-obscura-Effekts finden sich bereits bei griechischen und chinesischen Wissenschaftler:innen der Antike. Sie versuchen die rätselhaften Lichtreflexe zu erklären, die bei einer Sonnenfinsternis auftreten.
Doch erst Ibn al-Haitham greift zum Experiment: Er platziert drei Laternen in einem dunklen Raum vor einer Maueröffnung und stellt fest, dass sich auf der gegenüberliegenden Wand des benachbarten Raums drei Lichtflecken abbilden. Deckt man eine Lichtquelle ab, verschwindet der Fleck.
Ibn al-Haitham erkennt, dass sich die Lichtstrahlen nicht vermischen, sondern in geraden Linien durch die Maueröffnung laufen. Das einfallende Licht erzeugt ein exaktes Abbild der Umgebung, das jedoch auf dem Kopf steht.
Dasselbe, vermutet der Gelehrte richtig, geschieht im menschlichen Auge: Licht tritt in das Auge ein, genau wie durch die Maueröffnung.
An einem Problem aber verzweifeln Ibn al-Haitham und auch spätere Forscher:innen: Wenn das Auge wie eine Camera obscura funktioniert, warum steht für uns die Welt dann nicht auf dem Kopf?
Handstand im Gehirn
Im Jahr 1896 baut der Psychologe George Stratton eine Umkehrbrille und setzt sie vor sein rechtes Auge. Das Linke klebt er ab. Schwindelerregende fünf Tage lang sieht er seine Umgebung „falschherum“.
Stratton leidet unter Übelkeit, benutzt fortwährend die falsche Hand, verwechselt beim Essen Mund und Stirn. Doch nach etwa einer Woche fällt ihm die Orientierung immer leichter. Zwar gelingt ihm der Eindruck einer „aufrechten“ Welt nur unter höchster Konzentration, doch sein Experiment zeigt: Das Sehen ist auch eine Gehirnleistung, die nur im Zusammenspiel mit den anderen Sinnen möglich ist.