Das Kino als Spektakel
Anfang des 20. Jahrhunderts entstehen immer mehr Filme, die komplexe Geschichten erzählen – und zwar in einer erstaunlichen Genrevielfalt: Western, Melodramen, Historienfilme, Slapstick, Science-Fiction…
Illusionen, Zaubertricks & Knalleffekte
Als der Theaterbesitzer und Magier George Méliès eine Vorführung der Gebrüder Lumière besucht, ist er sofort fasziniert. Anfangs dreht er Straßenszenen und Zaubertricks. Schnell erkennt er jedoch auch das erzählerische Potenzial des neuen Mediums und wird so zu einem Pionier des narrativen Films.
1897 errichtet Méliès in Montreuil bei Paris eines der ersten Filmstudios der Welt. Es sieht aus wie ein Gewächshaus. Denn zum Drehen braucht er jede Menge Licht.
Méliès steht vor und hinter der Kamera. Von der ersten Idee bis zum Verkauf der Filme hat er alles in der Hand. Bis 1913 dreht Méliès mehr als 500 Stummfilme, darunter zahlreiche Verfilmungen der Romane von Jules Verne, aber auch dokumentarische Szenen, sogenannte Aktualitäten.
Méliès‘ Inszenierungen erinnern stark an das Theater. Das Filmgeschehen spielt auf einer Bühne in opulenten Kulissen. Die unbewegte Kamera filmt stets aus der Totalen und hat so alles im Blick.
Seinen berühmtesten Film dreht Méliès 1902: Le Voyage dans la Lune (Die Reise zum Mond, F 1902) nach dem Roman von Jules Verne. Mit einer Dauer von etwa 14 Minuten ist er für damalige Verhältnisse außergewöhnlich lang.
Méliès nutzt die Kamera, um sein Repertoire an Zaubereien zu erweitern. Mit Stopptricks, Überblendungen, Doppelbelichtungen lässt er auf der Leinwand Außerirdische verschwinden und bringt Skelette zum Tanzen.
Méliès erzählt seine Geschichten als großes, visuelles Spektakel und knüpft so an das frühe Jahrmarktskino – das Kino der Attraktionen – an.
Die Reise zum Mond verblüfft sein Publikum mit Tricks und Knalleffekten. Der Film kommt ab 1902 zur Aufführung – in einigen Sälen als aufwendig per Hand kolorierte Fassung.
Er ist einer der ersten Science-Fiction-Filme und inspiriert Filmschaffende seiner Zeit, zum Beispiel Edwin S. Porter, der in den USA für die Edison-Company arbeitet. Mit seinem Weltraumabenteuer wird Méliès zu einem der Vorreiter des fantastischen Films – und das Kino zu einem Ort, an dem Träume zur Realität werden.