Deutschlands „wilder Westen“
Low-Budget in Baden
In der Gegend von Heidelberg entstehen 1919/20 mehrere sogenannte „Neckar-Western“. Treibende Kraft hinter den Filmprojekten ist Hermann Basler. Den Krieg hat der junge Kinoenthusiast teils in den USA verbracht und dabei den Mittleren Westen kennen und Hollywood-Western lieben gelernt.
Nach seiner Heimkehr nach Heidelberg tritt er in die Filmfirma seines Vaters ein. Als Produzent, Darsteller und mitunter Autor und Regisseur in Personalunion beginnt er „Wildwest“-Filme zu drehen.
Trotz winziger Budgets eifert Hermann Basler Hollywood nach – mit überschaubarem Erfolg.
Die Wahl der Drehorte, die Ausstattung und Kostüme sowie das Drehbuch verraten das Bemühen, die US-Filme zu imitieren.
Dabei ist nicht zu übersehen, dass die Neckar-Western in der Badischen Provinz gedreht sind.
Gaudi im Alpenvorland
Auch in München und Umland werden nach dem Krieg fleißig „Wildwest“-Filme gedreht: sogenannte „Isar-Western“. Mit ihren voralpinen Schauplätzen wirken viele Isar-Western wie kuriose Heimatfilme.
Die Landschaft zwischen bayerischer Hauptstadt und Alpen bietet Drehorte in Hülle und Fülle – und das praktischerweise mit Bahn-Anschluss.
Eine Vielzahl kleiner lokaler Filmfirmen sieht im Freiluft-Genre Western die Möglichkeit, turbulente Unterhaltungsfilme kostengünstig außerhalb der Ateliers zu produzieren.
Außer durch malerische Natur zeichnen sich die wenigen und nur teilweise erhaltenen Isar-Western durch ihre ungehemmte Lust an Action und Kolportage aus.
So melodramatisch wie ihre Pendants vom Neckar sind die mit viel Improvisation gedrehten Filme lange nicht. Auch sollen die „Wildwest“-Abenteuer offenbar gar nicht besonders US-amerikanisch aussehen. Sie wirken wie Film gewordene Kindheitsträume.
Als Kameramänner und Produzenten sind August Arnold und Robert Richter, die Gründer der heute noch bestehenden Filmfirma Arri, an zahlreichen Isar-Western beteiligt. Bei den Drehs sind sie oft so wagemutig wie Stuntleute und bringen sich ebenso in Gefahr.
Wie die Neckar-Western geraten auch die „Wildwest“-Filme aus Münchner Produktion ins Visier der Zensur. Vor allem an der Gewalt nehmen die Behörden Anstoß. Es hagelt Vorführverbote.
Ungnädig zeigen sich auch die Kritiker:innen: Sie kanzeln die Filme als „Schund“ ab. Beim lokalen Publikum kommen sie dagegen durchaus an. Dennoch bleiben die süddeutschen Low-Budget-Western eine kurze Episode des deutschen Kinos – nach 1920 verschwinden die Filme schnell wieder vom Markt.