Reisebilder
Mit der Erfindung des Kinematographen beginnt, ausgehend von Europa, die Jagd nach filmischen Bildern von der ganzen Welt. Bilder von fernen Orten sind damals noch stärker als heute Ersatz fürs Reisen.
Touristische Aktivitäten sind Anfang des 20. Jahrhunderts ein Luxus, den sich nur wenige leisten können. Erst ab den 1950er-Jahren ebnen Reiseunternehmen und zunehmender Wohlstand den Weg für den Massentourismus.
Sogenannte Reisebilder oder Naturaufnahmen erfreuen sich daher großer Beliebtheit. Die dokumentarischen Ansichten von Städten und Landschaften sind sehr kurz, manchmal nicht mal eine Minute lang.
Reisebilder zeigen Sehenswürdigkeiten im eigenen und in anderen Ländern, aber auch dem Publikum unbekannte Traditionen und Verhaltensweisen.
Im Kino laufen sie als Teil abendfüllender Programme, in Kombination mit anderen dokumentarischen und fiktionalen Kurzfilmen. Internationale Produktionsfirmen befinden sich im regelrechten Wettstreit um neue Motive und die spektakulärsten Aufnahmen.
Touristische Blicke
Die frühen Reisebilder bestehen aus wenigen, manchmal auch nur einer einzigen unbewegten Kameraeinstellung. In Motivauswahl und Gestaltung orientieren sie sich am bereits etablierten Medium der Postkarte. Von ihr übernehmen sie auch den touristischen Blick auf die Welt.
Im Kino will das Publikum etwas anderes geboten bekommen als den bekannten Alltag. Einen wirklichen Einblick in andere Kulturen erhält es dabei aber kaum. Viel eher bedienen die Bilder die Sehnsüchte und Vorstellungen der Zuschauenden: malerische Bergpanoramen, buntes Treiben auf den Straßen, als „altertümlich“ wahrgenommene Gewohnheiten – die unbekannten Orte versprechen Idylle und Harmonie.
Das Kino bringt die Welt in die Welt
Viele europäische Produktionsfirmen entsenden Kameramänner, damals Operateure genannt, in die Welt. Im Auftrag der Gebrüder Lumière kurbelt zum Beispiel Felix Mesguich in Skandinavien.
Alexandre Promio reist 1897 für die französische Firma nach Ägypten. Zum ersten Mal bannt er das Land und seine antiken Stätten auf Film – und zum ersten Mal kommen die Menschen in Ägypten mit dem neuen Medium in Kontakt.
Promios Weltreise ist auch eine Werbekampagne für den Apparat der Lumières: Im gleichen Jahr eröffnet das erste Kinematographentheater in Alexandria. Die Aufnahmen aus der ganzen Welt werden in der Welt vermarktet.
Die Pyramiden von Gizeh in Alexandre Promios Film Les Pyramides zu sehen, ist selbst 1897 für das europäische Publikum keine Neuheit. Durch Gemälde, Litographien, Ansichtskarten und illustrierte Reiseberichte sind diese längst als touristisches Highlight etabliert. Bahnbrechend ist allerdings, dass die bewegten Bilder des Films ihnen nun Leben einhauchen.